Es war ein kleiner Kinosaal in London. Keine Plakate, kein Hinweis auf den Film. 24 Plätze, zwei Zuschauer. Und doch: ein Film, der gross war. Grösser als der Raum, in dem er gezeigt wurde. King of Kings, eine koreanische Animation über das Leben Jesu, hat mich – und meine Begleitung – tief berührt.
Der Film, bislang nicht im deutschsprachigen Raum erschienen, erzählt die Geschichte Jesu eingebettet in eine Rahmenhandlung zwischen dem Schriftsteller Charles Dickens und seinem Sohn Walter. Dickens möchte seinem Kind die biblische Geschichte nicht nur erzählen, sondern sie zum Erlebnis machen – eine Idee, die auf einem wenig bekannten Manuskript basiert, das er einst für seine eigenen Kinder schrieb.
Dass Kenneth Branagh (Dickens) und Oscar Isaac (Jesus) diesen Figuren ihre Stimmen leihen, zeigt: Dieses Projekt ist kein kleines – es ist hochwertig produziert und will gesehen, gehört und ernst genommen werden.
Diese Ernsthaftigkeit zeigt sich auch in der Wirkung des Films auf Walter. Zunächst laut, wild und voller Gedanken an Drachen, Schwerter und Ritter, wird er während des Erzählens stiller – nachdenklicher. Man erlebt ihn nicht nur als Kind, sondern als jemanden, der wirklich anfängt zuzuhören, sich zu öffnen und sich berühren zu lassen. Walter wird dabei fast zu einer universellen Figur – eine Einladung an uns alle, innezuhalten. Gerade in einer Welt voller Schrill und Drill – ein Gedanke, der häufig zu kurz kommt.
Ein Film der Bilder und Bedeutungen
Was King of Kings so besonders macht, ist meiner Meinung nach seine visuelle Kraft: Licht als Symbol für Gott und Jesus, Sonnenuntergänge, stimmungsvolle Farben. Die Charaktere sind liebevoll gezeichnet, allen voran Jesus – ruhig, sanft, fast ohne Gesichtsausdruck. Nicht kalt, sondern klar. Er wirkt über seine Taten, nicht über Mimik. Bewusst gewählt. Stark.
Manche mögen die stilisierte Darstellung Jesu als ungewohnt empfinden – sein stiller Blick, sein beinahe emotionsloses Gesicht. Für mich aber liegt gerade darin eine tiefe Ruhe. Eine Klarheit, die nicht über Reden, sondern über das Dasein wirkt.
Die Geschichte selbst umfasst viele Stationen: Geburt, Taufe, Wunder, Abendmahl, Kreuzigung und Auferstehung. Besonders eindrucksvoll: die Szene am Palmsonntag, in der nicht nur Menschen, sondern auch die Beziehung zwischen Vater und Sohn – und sogar zur Katze Willow, die bis dato eher auf gegenseitiger Abneigung bestand– versöhnt wird. Vielleicht der emotionalste Moment des Films.
Theologie, Kindlichkeit, Vertrauen
Der Film ist reich an theologischen Motiven – vom Sündenfall über den Sühnetod bis zur Auferstehung. Walter begegnet diesen Stationen mit kindlicher Neugier, begleitet sie aufmerksam und stellt Fragen, die sowohl gläubige Christen als auch religiöse Neulinge bewegen: Warum? Wieso? Was bedeutet das? Auf diese Weise eröffnet er einen neuen Zugang zu zentralen Themen des christlichen Glaubens.
Diese Art zu fragen erinnert an das Wort Jesu: «Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder …» (Mt 18,3). Sie lädt auch Erwachsene ein, sich den grossen Themen des Glaubens mit offenem Herzen zu nähern. Vielleicht werden die Fragen dadurch nicht einfacher – aber sie kommen uns näher. Und überraschend selbstverständlich fügt sich all das in das Format eines animierten Films ein.
Die Geschichte lebt – durch uns
Am Ende ist es Walter, der die Geschichte weitererzählt, begeistert, bewegt. Aus dem fragenden Kind wird ein Erzähler. Er beginnt, anderen von Jesus zu erzählen – nicht als fertiger Lehrer, sondern als jemand, der selbst berührt wurde. Vielleicht ist genau das Mission: nicht alles zu wissen, aber das weiterzugeben, was einen selbst bewegt hat.
Die Botschaft dabei ist sicher: Die Geschichte Jesu lebt – durch ihn, durch uns. Sie braucht Menschen, die fragen, staunen, erzählen. Auch heute.
Vertrauen – ein Bild, das bleibt
Ganz am Ende, für mich eines der schönsten Symboliken des Films. In einem stillen Traumbild, scheint Walter zu ertrinken. Er kämpft, sinkt – und dann ist da eine Hand: die Hand Jesu. Sie zieht ihn heraus, hält ihn. Ein einfaches, starkes Bild. Für Vertrauen. Für Rettung. Für Hoffnung.
Ein Film, der nicht laut sein muss, um viel zu sagen
Vielleicht fehlt ihm an manchen Stellen ein Übergang. Vielleicht ist er in seiner Darstellung mancher Szenen theologisch dichter, als es der Mainstream gewohnt ist. Aber vielleicht – und das denke ich – ist gerade das seine Stärke. King of Kings ist kein Film der Effekte. Er ist ein Film der Wirkung.
Ein kleines Detail hat mich dennoch irritiert: die Beziehung zwischen Vater und Katze. Die überzogene Darstellung wirkte für mich deplatziert und lenkte vom sonst so feinfühligen Ton ab. Diese Art von humorvoller Überzeichnung ist aktuell oft in Animationsfilmen zu finden – schrille Nebenfiguren, schnelle Gags, überdrehte Reaktionen. Ein Zeitgeist auf Kosten der Tiefe.
Umso bemerkenswerter ist es, dass King of Kings sonst genau das vermeidet. Der Film macht Jesus nicht «cool» oder «effektreich». Er bleibt ruhig, klar und wirkt gerade dadurch. Und das – inmitten des oft lauten Animations-Zeitgeists – ist eine wohltuende Ausnahme.
von Katharina Kleiser
Bildnachweis: Offizielles Filmplakat zu King of Kings – Quelle: angel.com. Alle Rechte vorbehalten.