Fehlende Rampen, keine Gebärdendolmetscher, mangelnde Sensibilität – für viele Menschen mit Behinderungen sind religiöse Räume nicht selbstverständlich zugänglich. Dabei ist Religion für viele nicht nur Glaube, sondern auch ein wichtiger Teil gesellschaftlicher Teilhabe.
Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer Veranstaltung des Forums der Religionen in Zürich, an der Betroffene ihre Erfahrungen teilten. Ihre Berichte waren eindrücklich und regten zum Nachdenken an:
Barrieren in der Praxis – Stimmen von Betroffenen
Regula Eiberle, eine gehörlose Christin, berichtete: „Ich kann nicht spontan in den Gottesdienst gehen. Und in einer fremden Gemeinde fühle ich mich oft verloren.“ Ohne Gebärdensprachdolmetscher oder technische Hilfsmittel bleibt vielen Gehörlosen der Zugang zu Gottesdiensten verwehrt.
İpek Kurtuluş, eine Muslimin mit Sehbeeinträchtigung, schilderte ihre Herausforderungen: „Es gibt nicht wenige Menschen mit Beeinträchtigungen in der Schweiz – aber wer traut sich, in ein Gotteshaus oder eine Community?“ Sie wies auf den sogenannten „Corp-Effekt“ hin: Menschen mit Behinderungen sind oft unsichtbar, weil sie durch Barrieren ausgeschlossen werden.
Fiona Bollag, eine gehörlose Jüdin, erlebt ähnliche Schwierigkeiten: „Bei uns gibt es keinerlei Hilfsmittel, aber ich weiss mir zu helfen. Ich frage meine Nachbarin, wo wir sind, wenn ich es nicht verstehe.“ Ihre pragmatische Herangehensweise zeigt, wie sehr Betroffene auf Eigeninitiative angewiesen sind. Doch sollte Inklusion nicht eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein?
Mandali Bhadra Dasa, ein Hindu mit MS-Erkrankung, betonte: „Man kann mehr mitfühlen, wenn man selbst betroffen ist – aber Inklusion darf nicht nur unsere Aufgabe sein.“ Bewusstsein entsteht oft erst durch persönliche Erfahrung, doch langfristige Veränderungen erfordern das Engagement aller.
Schritte zur Inklusion – was wird bereits getan?
Einige Fortschritte gibt es bereits: Viele Kirchen und Glaubensgemeinschaften setzen auf Barrierefreiheit – mit automatischen Türen, Induktionsschleifen und Gebärdensprachdolmetschern. Die Behindertenseelsorge und andere Organisationen fördern inklusive Angebote. Doch es braucht mehr Sensibilität und Engagement, um wirklich allen Menschen die Teilhabe am religiösen Leben zu ermöglichen.
Wie weiter?
Diese Veranstaltung hat eindrucksvoll gezeigt, dass Inklusion nicht nur eine Frage der Infrastruktur ist, sondern auch der Haltung. Wahre Barrierefreiheit bedeutet, dass alle Menschen selbstverständlich und ohne Hindernisse am religiösen und gemeinschaftlichen Leben teilnehmen können.
Es bleibt zu hoffen, dass die an dieser Veranstaltung geteilten Erfahrungen und Perspektiven dazu anregen, noch intensiver über die Barrieren nachzudenken, die es in religiösen Gemeinschaften zu überwinden gilt. Inklusion ist ein fortlaufender Prozess, der das Engagement aller erfordert. Damit alle – unabhängig von ihrer Beeinträchtigung – gleichberechtigt und ungehindert an spirituellen und gemeinschaftlichen Leben teilnehmen können, braucht es sowohl strukturelle Anpassungen als auch ein wachsendes Bewusstsein auf allen Ebenen.
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